Bild von «The Team» knüpft ans dänische Erfolgsrezept an
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«The Team» knüpft ans dänische Erfolgsrezept an

Kein europäischer Sender hat so viel Erfolg bei seinen TV-Serien zu verbuchen wie das dänische Staatsfernsehen DR. Nun holt der Sender eine Reihe europäischer öffentlicher Sender mit ins Team: Auch SRF beteiligt sich an der neuen Krimiserie «The Team». Die Dreharbeiten fingen vor kurzem in Kopenhagen an.

– von Charlotte Pries Jensen

Der isländische Pullover gehört zu ihr wie die Pfeife zu Sherlock Holmes. Während 40 Folgen hat die dänische Schauspielerin Sofie Gråbøl in ihrer Rolle als Kriminalkommissarin Sarah Lund die dunklen Orte im wörtlichen und übertragenen Sinne mit ihrer Taschenlampe aus­geleuchtet. Als «Das Verbrechen» ­(«Forbrydelsen») 2007 bis 2012 am Sonntagabend zur Primetime über die dänischen Bildschirme flimmerte, waren die Strassen wie ­leergefegt.

Und dann lief auch der Rest der Welt «Amok» mit Sarah Lund: Die Serie wurde in mehr als 159 Länder, von Afghanistan bis Venezuela, verkauft. Eine ähnliche Erfolgsgeschichte hat die ebenfalls dänische Serie «Borgen» («Gefährliche Seilschaften») zu erzählen. «Le Monde» und weitere internationale Zeitungen feiern das dänische Staatsfernsehen als Europameister der TV-Serien.

Kommissarin Lund (Sofie Gråbøl) mit ihrem berühmten Pullover in «Das Verbrechen (© DR/Tine Harden)

Das internationale Interesse bleibt denn auch nach Norden gerichtet, zumal zwei neue europäische TV-Serien wiederum aus Dänemark stammen. In Ko-Produktion mit Arte France, Radio Télévision Suisse (RTS) und weiteren Sendern thematisieren die dänischen Serienmacher in «Babylon» die Korruption in der EU und europäische Umweltkatastrophen. Die zweite Serie, «The Team», ist ein Gemeinschaftsprojekt von mehreren öffentlichen Fernsehanstalten (siehe Kasten Seite 8). Bereits bekannt ist, dass Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) zu den Ko-Produzenten gehört. Über den Inhalt wurde bisher wenig ­kommuniziert. So viel sei hier verraten: Im Fokus der Krimiserie stehen die ­organisierte Kriminalität und der moderne ­Sklavenhandel, die direkt vor unserer Haustüre stattfinden.

«Das Talent lebt in Dänemark»

Hinter der Idee, eine europäische Krimiserie aus der dänischen Perspektive zu ­kreieren, steckt Peter Nadermann, der als ehemaliger Produzent bei der deutschen Network Movie die Produktion von «The Team» mit ZDF ausführt. «Ich habe früh ­erkannt, dass Skandinavien spannende ­Geschichten zu erzählen hat. Wenn es um TV-Serien geht, dann lebt das Talent in diesen Jahren in Dänemark», sagt Nadermann. «Die Dänen können Geschichten erzählen, die uns alle angehen. Deshalb stammen auch das kreative Team, die Autoren, die Regisseure, die Kameraleute, die Cutter, die Set Designer und die Spezialisten für die Besetzung der Rollen aus Dänemark.»

Geschichten mit gesellschaftlicher Brisanz

Wichtige Voraussetzungen für die Qualität und den Publikumserfolg der dänischen TV-Serien seien die sehr liberalen und wirtschaftlich starken öffentlich-rechtlichen Sender in Skandinavien, erklärt Peter Nadermann,«sie geben den Produzenten grosse Freiheiten und das erhöht die ­Qualität.»

Hat «The Team » Thorning-Schmidt sogar zum Wahlsieg ­verholfen?

Mit Geld allein ist aber kein Quotenrenner gemacht, schon gar nicht auf dem internationalen Markt. Die «Double Story» («Doppelgeschichte») spielt bei den dänischen TV-Serien eine grundlegende Rolle: Die eine Ebene sind persönliche Geschichten mit Figuren, mit denen sich die Zuschauer identifizieren können. Die andere Ebene spielt vor einem globalen Hintergrund von gesellschaftlicher Brisanz. So hat beispielsweise Kommissarin Sarah Lund ihre Mordfälle stets im Sog politischer Intrigen zu ­lösen. In «Gefährliche Seilschaften» («Borgen»), wird die fiktive Geschichte der ersten Premierministerin Dänemarks erzählt. Nebst der emotionalen Geschichte einer politisch engagierten Frau, Ehefrau und Mutter beleuchtet die Serie die ­Facetten der politischen Macht und die Verflechtung von Politik und Medien. Als Helle Thorning-Schmidt später tatsächlich zur ersten Premierministerin Dänemarks gewählt wird, wurde die Serie in den ­dänischen Medien heftig diskutiert. Hat sie Thorning-Schmidt sogar zum Wahlsieg ­verholfen?

Aufklärung ohne Belehrung

Auch «The Team» knüpft an die gesellschaftliche Brisanz an: Die Prämisse der Krimiserie ist, zu zeigen, dass das Verbrechen in Europa weder vor Kinderpornografie noch vor moderner Sklaverei halt macht. Und dass wir die Gesellschaft mit unseren alltäglichen Bedürfnissen im Grunde genommen daran schuld sind. «Überall um uns herum werden Menschen aus China, Afrika oder Osteuropa als ­Arbeitssklaven missbraucht, zum Beispiel in Gärtnereien, als Hausangestellte, in der Gastronomie oder in der Reinigung», sagt Drehbuchautor Peter Thorsboe gegenüber der dänischen Zeitung «Politiken».

Autoren Mai Brostrøm und Peter Thorsboe geniessen auch bei «The Team grosse Freiheit (© DR/Bjarne Bergius Hermansen).

Ob die Aufklärungsarbeit – wie es die ­Konzession dem Staatssender auch in ­Dänemark vorschreibt beim Publikum ankommt, hängt von der Art und Weise der Vermittlung ab. «Wir wollen die Zuschauer nicht mit dem Zeigefinger belehren, aber wir wollen, dass niemand sagen kann, er habe mit dem Problem der unsichtbaren Sklaven mitten in Europa nichts zu tun. Es ist enorm wichtig, das Wissen darüber in der Bevölkerung zu vertiefen», führt Drehbuchautorin Mai Brostrøm aus.

Freie Autoren

Die zwei Drehbuchautoren von «The Team», Peter Thorsboe und seine Ehefrau Mai Brostrøm, haben bereits drei Emmys (bedeutendster TV-Preis der USA) in der Kategorie «Beste Dramaserie» gewonnen. Bei der Frage, warum Thorsboe und ­Brostrøm – wie auch viele ihrer DR-Kolleginnen und -Kollegen so erfolgreich sind, weist Thomas Heinesen, dänischer Ko-Produzent von «The Team», auf die ­totale Freiheit der Drehbuchautoren hin: «Im Gegensatz zu den Autoren in vielen anderen Ländern, wo der Regisseur und die Produzenten in der Regel das letzte Wort haben, geniessen die dänischen ­Autoren Autonomie. Sie ­haben viel Spielraum, jene Geschichten zu erzählen, die erzählt werden müssen», erklärt er.

Die Drehbuchautoren von «The Team» haben ­totale Freiheit.

Zudem werden den (bei DR übrigens festangestellten) Autoren grosse Freiheiten bei den Recherchen der Geschichten eingeräumt, um die Glaubwürdigkeit der Erzählungen zu gewährleisten. Diese Freiheit bringt natürlich auch viel Verantwortung mit sich, gibt Heinesen zu bedenken. «Die Anforderungen an die Autoren sind sehr hoch. Sie müssen gut und eng mit den Regisseuren und Produzenten zusammenarbeiten und sie brauchen eine grosse Vorstellungskraft.»

«Sklaven sind ein gutes Geschäft»

Bei den Recherchen für «The Team» kontaktierten Thorsboe und Brostrøm unter anderem Europol, die Spezialeinheit der Polizei im Bereich der organisierten internationalen Kriminalität. Diese erzählte unter anderem von einer Gruppe Chinesen, die auf dem Dachboden einer Villa in Nordeuropa in Unterhosen Fertigmenüs für chinesische Restaurants produzierte. Oder von einer Gruppe koreanischer ­Frauen, deren Traum vom besseren Leben im reichen Norden in einer stillgelegten Fabrik in Osteuropa endete, um in Fron­arbeit Ledertaschen zu nähen. «Es ist ein ­gutes Geschäft, den Lohn zu beseitigen und den Menschen eine Tracht Prügel zu verabreichen», sagt Thorsboe. Die Inspiration für einen Krimi über den lukrativen Menschenhandel liegt auf der Hand.

Drearbeiten von «The Team» im Oktober 2013 in Kopenhagen (© EB/Jakob Jørgensen).

Zu viele Köche ...?

Die Dänen standen meist allein am Herd ihrer TV-Serien-Küche, nun will ein halbes Dutzend Länder bei der Zubereitung mitreden. Thomas Heinesen gibt zu bedenken, dass die Gefahr eines sogenannten Europuddings – eines identitätslosen ­Produkts, das entsteht, wenn mehrere Geldgeber mit verschiedenen Interessen involviert sind – tatsächlich besteht. Er bleibt dennoch ­optimistisch, schliesslich stehen alle ­Beteiligten hinter der Grundidee. Und ­angerührt wird immer noch mehrheitlich mit der ­dänischen Kelle.

Charlotte Pries Jensen


LINK 6 2013 Thomas Lüthi

«Wir müssen unseren eigenen Weg finden»: Interview mit SRF-Kulturredaktor Thomas Lüthi

Kulturredaktor Thomas Lüthi repräsentiert SRF in der
Ko-Produktion von «The Team». LINK sprach mit ihm über
die Hintergründe und die Inspiration aus dem Norden.

LINK: Warum ist die Zusammenarbeit mit Dänemark wichtig für SRF?

Thomas Lüthi: Dänemark gilt im Moment als Vorbild für TV-Serien.
«The Team» ist ein tolles Projekt, aber auch sehr kostspielig. Das
Modell der Ko-Produktion stellt für SRF eine grosse Chance dar, in
einer Grossproduktion mitzuwirken und mitzuentscheiden.

Die Dänen legen viel Wert auf ihre ­Freiheit. Welchen Einfluss hat SRF
bei «The Team»?

Unter den Serienmachern in Dänemark gilt die Devise «Money
doesn’t talk» – mit Geld kann man keine Inhalte erkaufen. Wichtig ist
die bestechende Idee. Für gute Vorschläge – auch von uns – sind die
Autoren offen. Und wir können uns auf der Produktionsebene einbringen.

Könnten Sie sich vorstellen, den Schweizer Drehbuchautoren gleich
viel Autonomie einzuräumen wie in Dänemark?

Ich begrüsse diese Freiheit, glaube aber nicht, dass sie in der Schweiz
von heute auf morgen umsetzbar wäre. Auch die dänische ­TV-Serien-
Industrie hat sich über die letzten 10 bis 15 Jahre entwickeln müssen.

Service-public-Sender wie DR und SRF müssen nicht nur unterhalten,
sondern auch informieren und bilden. DR verknüpft persönliche ­Geschichten
mit ­Themen von gesellschaftlicher Brisanz. Könnte SRF davon etwas lernen?

Wir machen das längstens. In unseren Fernsehfilmen geht es immer
auch um gesellschaftspolitische Themen. Und die neue ­Staffel von
«Der Bestatter» baut prominent auf einer solchen Doppelgeschichte
auf: Es wird in einem Fall von Organhandel ermittelt. Wir lassen uns
vom Ausland inspirieren, ­müssen aber unseren eigenen Weg finden.

Interview: Charlotte Pries Jensen


Die Autorin: Charlotte Pries Jensen arbeitet als Freelancerin, unter anderem für Danmarks Radio (DR) und lebt seit zwei Jahren in Zürich.

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